Zur Kooperation von nationalreligiösen Zionisten, Evangelikalen und anderen Rechtsradikalen in Israel, USA und Europa
Der Zionismus geht davon aus, dass Juden in ihren Heimatländern nicht leben können und nach Palästina auswandern müssen. Laut seiner Ideologie ist der Antisemitismus der Menschheit inhärent, und es gibt daher auch keine Grundlage für Juden und Nichtjuden, ihn zusammen zu bekämpfen. Diese Auffassung markiert einen wesentlichen Unterschied zwischen Zionisten und fortschrittlichen Juden, seit es gemeinsame Anstrengungen von Juden und Nichtjuden gibt, Antisemitismus und Rassismus auszurotten. Die Zionisten betrachten sogar jeden, der nicht mit der Kolonisierung, Beherrschung und Vertreibung der Palästinenser einverstanden ist oder auch nur deren Bestrebungen anerkennt, einen eigenen Staat in Palästina zu gründen, als antisemitisch. Sie setzen Antizionismus mit Antisemitismus gleich. Ihre Antisemitismus-Definition ist stets politischen Zwecken untergeordnet; sie haben keine Skrupel, mit Rassisten und Faschisten, sogar Nazis, zu kollaborieren, solange es nur ihren Zielen dient.
Heute sind zwei relativ neue Trends für die ideologische Auseinandersetzung mit dem Zionismus wichtig: Die Verbindungen zwischen 1. der radikalen Rechten in Israel und protestantischen Evangelikalen in den USA, Europa, Südamerika und Afrika, und 2. der radikalen Rechten in Israel und radikalen rechten Bewegungen und Parteien in Europa und den USA.
Der Evangelikalismus breitet sich rapide aus. Allein in den USA zählt er 60 Millionen Jünger – rund 80 Prozent von ihnen sind Anhänger von Donald Trump, die Hälfte unterstützt Israel politisch und finanziell. Der Evangelikalismus ist über diverse Institutionen mit der Siedlerbewegung in Israel verbunden: Darunter die Christians United for Israel (CUPI), die größte proisraelische Organisation in den USA. Sie betrachten den israelisch-palästinensischen Konflikt aus messianischer Perspektive und sind Verfechter des biblischen Narrativs der Siedler, laut dem das Heilige Land ausschließlich den Juden gehört. CUPI engagieren sich für den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem als Station auf dem Weg der Rückkehr von Christus und Anbruch der Endzeit. Die christliche Parteinahme für den Zionismus bildet auch eine Legitimationsfront für islamophobe und rassistische Positionen. Der Einfluss des christlichen Zionismus wird geltend gemacht, um in der UNO und internationalen Organisationen Unterstützung für Israel zu mobilisieren.
Israel hat sich selbst als Staat aller Juden ausgerufen und nimmt für sich in Anspruch, für alle Juden zu sprechen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Übel des Antisemitismus und Nazismus in Europa und den USA beleuchtet und verurteilt. Dieser Umstand half Israel, sich als der Hüter des Gedenkens des Völkermords an den Juden und die Autorität zu etablieren, die Antisemitismus definiert, bloßstellt oder auch Verdächtige »entlastet«. Heute benutzt die israelische Regierung diese Position, um für Verständnis für rechtsradikale Bewegungen und Parteien in Deutschland, Österreich, Frankreich, Holland, Belgien, Italien, Kroatien, Ungarn, Polen und Tschechien zu werben, zu denen sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten Beziehungen aufgebaut hat – als Gegenleistung bekommt sie Unterstützung für das Siedlerprojekt, die Besatzung Palästinas, ihre Innenpolitik und Lobby in den EU-Institutionen.
Avishai Ehrlich
ist israelischer Staatsbürger, geboren 1941 in Tel Aviv. Seit den 1950er-Jahren ist er Sozialist. Als er Antizionist wurde, verließ er seinen Kibbuz in der Nähe von Gaza und schloss sich der Kommunistischen Partei an. Als diese sich in zwei Teile spaltete (einen für Juden, einen für Araber), trat er aus. Er wurde eingezogen und kämpfte 1967 im Sechs-Tage-Krieg. Ein Jahr später verließ er Israel, um in London zu leben und zu studieren. Er wurde britischer Staatsbürger und lehrte politische Soziologie an der London School of Economics and Middlesex University. Er war Mitglied von Matzpen und der Redaktion von Khamsin, einer sozialistischen Zeitschrift von Revolutionären aus dem Nahen Osten. 1982 kehrte er zurück nach Israel und beteiligte sich aktiv am Kampf gegen die Besatzung und für Menschenrechte. Heute ist er emeritierter Professor der Universität Tel Aviv und des Academic College of Tel Aviv-Jaffa. Er hat zahlreiche Texte zum israelisch-palästinensischen Konflikt publiziert und die Perspektive der »Siedler-Gesellschaft« und »Gesellschaft des permanenten Krieges« in die Studien zur israelischen Gesellschaft eingeführt. Außerdem ist er Autor für Socialist Register und schreibt regelmäßig Beiträge für das Magazin der KP Israel.